„Knapp 80% der Österreicher achten auf Nachhaltigkeit“ berichtet https://help.orf.at/stories/3211117/. Solche Umfragen sind aus mehreren Gründen für den Mülleimer:
- In Befragungen gibt es das Phänomen der sozialen Erwünschtheit. Befragte geben tendenziell Antworten, durch die sie selbst in einem besseren Licht stehen.
- Menschen verstehen unter „nachhaltig“ (oder auch „umweltfreundlich“) die unterschiedlichsten Dinge. Ein Benzinauto kann als umweltfreundlich wahrgenommen werden, das in Österreich verarbeitete Rindfleisch als „nachhaltig“.
- Unter Nachhaltigkeit verstehen wir etwas Positives. Von uns selbst haben wir ein positives Selbstbild. Werden wir gefragt, ob wir auf Nachhaltigkeit achten, werden wir dies bejahen, auch wenn wir SUVs fahren, in den Urlaub fliegen und täglich Fleisch essen.
- Die Studienteilnehmerinnen wurden auch gefragt, wer die Hauptverantwortlichkeit für mehr Nachhaltigkeit trägt. Das Ergebnis „Die Konsumenten“ wird Industrievertreter vermutlich freuen. So etwas kommt heraus, wenn man manipulativ fragt.
- Der manipulative Effekt hier nennt sich „Priming“. Man stellt zuerst Fragen zu individueller Nachhaltigkeit im Konsum, auf die man wunderbar sozial erwünschte Antworten geben kann. Dann fragt man, wer für Nachhaltigkeit verantwortlich ist. Ergebnis wenig überraschend: individuelle Konsumenten.
- Ob auch Politik eine Verantwortung trägt, wurde den verfügbaren Informationen nach gar nicht abgefragt. Der Bericht auf help.orf.at verschweigt diesen Aspekt, auf der Website des Marktforschungsunternehmens gibt es die Studie nicht.
Conclusio: Die Methodik dieser „Studie“ ist völlig unseriös, die Ergebnisse sind irrelevant. Einen eigenen Artikel ist sie eigentlich nicht wert.
Nachsatz: Der österreichische Rundfunk widmet sich verstärkt Themen wie Nachhaltigkeit und Klimawandel, und macht dabei größtenteils einen sehr guten Job. Beim Berichten sozialwissenschaftlicher Studien gibt es aber noch Luft nach oben.
Hoffnungsanker Klimarat
Bei der Präsentation der Ergebnisse der Beratungen im Klimarat wurde gezeigt, dass die im Land lebenden Menschen bereit sind, bei klimapolitisch wirksamen Maßnahmen das Niveau der Politik zu übertreffen.
Vielleicht sollten wir uns daher ganz generell für mehr Partizipation stark machen und uns ganz im Sinne von Emanuel Towfigh für die „Weiterentwicklung der demokratischen Ordnung“ einsetzen.
Stellen Sie sich vor, Sie sind mit einer Reisegruppe am Strand, das Meer zieht sich zurück und eine riesige Tsunamiwelle türmt sich gerade vor Ihnen im Meer auf. Sie würden sofort ALLE Richtung Landesinnetes auf den nächsten Hügel zulaufen.
Überträgt man die aktuellen Bestrebungen zur Bekämpfung der Klimakrise in dieses Bild, würde sich folgendes ergeben:
Einige kleben sich „Wir sind bereits im Landesinneren auf einem Hügel.“-Sticker die Brust. Manche sagen, sie haben bereits ihren Liegestuhl etwas verschoben – jetzt sollten die anderen mal etwas tun. Andere meinen, zuerst sollten die Beleibteren losgehen, weil man so viel mehr Körpermasse auf einmal retten könne. Wieder andere meinen, Wellen am Meer sind kein Grund zur Panik, die gab es immer schon. Eine weitere Gruppe meint, sie seien auf wohlverdientem Urlaub hier, man möge doch endlich ruhig sein. Die Reiseleitung meint, wir wollen doch nicht wieder in den Wald zurück. etc. etc.
Warum ist das so?
Die Politik, Industrie und der Großteil der Bevölkerung verstehen meiner Meinung nach die Tragweite der Klimakrise noch immer nicht. Die IPCC-Berichte werden kaum gelesen und die Politik erhält gerade mal die Zusammenfassung der Zudammenfassungen. Genauso gut könnte man ihnen als „Management Summary“ die berühmte Phrase „Wie oben, so auch unten.“ überreichen.
Natürlich ist der Bericht für Laien schwer verständlich, er müsste noch viel besser Übersetzt werden. Gerade der Klimabürgerrat hat gezeigt, dass man die Klimakrise auch der Bevölkerung erklären kann! Warum gibt es solche mehrmonatigen Informationskampagnen noch nicht für Entscheidungsträger aus Politik und Industrie? Nur wer die Zusammenhänge VERSTEHT, sieht die Sinnlosigkeit von Verhandungen mit den Naturgesetzen ein.
Warum werden die Berichte nicht landesweit in den Unterricht eingebaut? Es gibt wohl nur wenige Fächer, die von den Berichten nicht tangiert werden.
Wann kommen die Science-Fiction (im wahrsten Sinne des Wortes) Romane, die uns die Auswirkungen unseres Nichthandels drastisch vor Augen führen?
Erst wenn die Bevölkerung versteht, dass JETZT der Zeitpunkt zum loslaufen erreicht ist, wird sie genügend Druck auf die Entscheidungsträger aufbauen, damit diese endlich handeln. Ohne diesen Druck – das zeigt die Gaskrise gerade sehr erschütternd – wird gar nichts passieren.