Wenn man in sozialen Medien unterwegs ist oder im erweiterten Familien- und Bekanntenkreis auf das Thema Klimawandel zu sprechen kommt, dann kennt man das: Den Grant, der schnell in Wut umschlägt, wenn es um Klima-Kleber und Co. geht. Auch selbst wird man leicht zum Grant-Hans. Nämlich dann, wenn man den Ernst der Lage verstanden hat, aber vielerorts nur Ignoranz, Verleugnung und Verharmlosung sieht.
Woher kommt die Wut? Die Erklärung „das sind eben Idioten“ kommt einem immer schnell in den Sinn, greift aber in den meisten Fällen zu kurz. Aus evolutionärer Sicht ist Wut eine wichtige Emotion: In Bedrohungssituationen verschafft sie uns Energie und Tatkraft. Während Angst eher zum Erstarren oder Davonlaufen führt, verleiht uns Wut Kraft für die Konfrontation. Wut hat außerdem die praktische Eigenschaft, ansteckend zu sein. Ich bin wütend, weil die Menschen um mich herum wütend sind. Gemeinsam wütend zu sein verleiht ein Gefühl von Macht, und eine wütende Masse kann ungeahnte Kräfte entfalten.
Gründe für Wut und Ärger können vielfältig sein. Aber der Basismechanismus ist immer der gleiche: Ein gefühlter Angriff oder eine Ungerechtigkeit, die mich oder Menschen in meinem Umfeld betrifft. Das Klimathema bzw. die Forderung nach Klimaschutz kann beides sein: 1 – Ein Angriff auf mich, also meinen Lebensstil, meine Lebensrealität, meine Weltanschauungen. 2- Eine Ungerechtigkeit, weil mir andere gefühlt etwas verbieten / wegnehmen wollen. Der gefühlte Angriff kommt außerdem aus einer Ecke, der man ohnehin schon misstraut, nicht erst seit der Pandemie: Grüne Partei, junge Menschen aus dem Bildungsbürgertum, Expert*innen.
Wut verringert unsere Zugänglichkeit für Fakten. Gegen starke Meinungen kommen Fakten ohnehin nicht an. Das gestiegene Misstrauen in die Wissenschaft tut sein Übriges. Die kognitive Dissonanz zwischen eigentlich nicht mehr übersehbarer Klimakrise und unzureichenden Gegenmaßnahmen wird mühelos mit Leugnen und Verharmlosen überbrückt.
Meiner Einschätzung nach wird diese Wut zumindest in Teilen bewusst geschürt, mit den altbekannten Taktiken aus der Massenpsychologie. Ich denke oft an dieses Göring-Zitat:
„Man braucht nichts zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr.“
Hermann Göring, siehe https://www.zitate7.de/21009/Natuerlich-das-einfache-Volk-will-keinen.html
Umgelegt scheint die Logik der Klimaleugner, Verzögerer und Ablenker zu sein:
Man sagt den Menschen, der Klimawandel sei ein Vorwand, ihnen was wegzunehmen. Und den Klimaschützern wirft man vor, sie brächten die Wirtschaft in Gefahr.
Wut ist destruktiv und zerstörerisch: Sie verengt unseren Blick und unseren Zeithorizont, sie torpediert das so wichtige Angehen der Klimakrise. Wie werden wir sie wieder los? Anregungen gerne als Kommentar.