Ein Wort ist untrennbar mit Klimaschutzdebatten verbunden: VERZICHT.
Wir sollen auf Rindfleisch verzichten, auf sportliche Autos, auf Fernreisen, und und und.
Von Verzicht sprechen Befürworter*innen von Klimaschutz, wenn sie Handlungsoptionen aufzeigen wollen. Von Verzicht sprechen Gegner*innen von Klimaschutz, wenn sie Unentschlossene auf ihre Seite ziehen wollen. Die Debatte dreht sich dann darum, was wir aufgeben müssen und was wir verlieren, wenn wir Klimaschutz ernstnehmen.
Niemand verliert gern, und niemand verzichtet gern – für diese Einsicht braucht man kein Psychologiestudium. Vom Verzicht zu sprechen schadet der Akzeptanz von Klimaschutzmaßnahmen. Die Aussicht auf einen nahenden Verzicht bewirkt oft sogar eine Gegenreaktion. An den überfüllten Bars vor den Corona-Lockdowns haben wir das recht gut gesehen. Aus der Verhaltensökonomie wissen wir außerdem, dass Verluste intensiver wahrgenommen werden als Gewinne.
Wo ist der Ausweg aus der Verzichtdebatte? Eine wunderbare Anregung habe ich von einem Austausch mit den Leuten der Initiative Nürnberg Autofrei mitgenommen, als ich dort für eine Lesung in der Buchhandlung Jakob zu Gast war: Sprechen wir doch von einem Tausch! Wir verzichten nicht auf den Parkplatz vorm Wohnhaus – wir tauschen ihn ein gegen eine lebenswerte, ruhige Straße, in der unsere Kinder gefahrlos spielen können.
In der Menschheitsgeschichte hat Tauschhandel eine tragende Rolle gespielt, und das Konzept lässt sich auch auf die Klimaschutzdebatte übertragen: Wir verzichten nicht. Aber wir tauschen.
Wir tauschen unsere klimaschädlichen Lebensstile gegen eine lebenswertere Zukunft für uns selbst und unsere Nachkommen.
Für mich klingt das eigentlich nach einem ziemlich guten Deal.
P.S. Visualisierungsfuchs Volker Voigt hat die Systemic4Future Tagung am 10. März aufgezeichnet (im wahrsten Sinne des Wortes), an der ich über mein Buch „Die Kunst der Ausrede“ gesprochen habe. Die Zeichnung ist ein Ausschnitt aus seinem Kunstwerk. Ich finde es großartig.
super!!
Danke! 🙂
Ich mag auch sehr den Vergleich mit der Familie – geht aber nur bei Menschen mit Kindern.
Du hast dich entschieden zu verzichten: auf ca. 150-250.000€. Auf Freiheit bei der Urlaubsplanung, wo du immer den teuersten Preis bezahlst, weil du nur noch während der Ferien weg kannst. Du verzichtest auf Schlaf, am Anfang sehr viel sogar. Du verzichtest auf Freiheit bei der Gestaltung deines Lebens, weil du und ihr nicht mehr tun könnt was ihr wollt. Jederzeit bis morgens um die Häuser ziehen, spontan Freunde besuchen oder einen Kurztrip nach sonstwohin.
Alles nur, weil Du ein Kind bekommen hast.
Aber niemand sprich von Verzicht, wenn es um seine Kinder geht.
Danke für diesen spannenden Gedanken!